Diese Frage wird mir in den letzten Wochen immer wieder gestellt.
Und darüber nachzudenken scheint mir durchaus legitim. Gleichzeitig will ich aber keinesfalls grosse Versprechungen in die Welt setzen. Das würde ganz und gar meiner Grundhaltung zuwider laufen.

Eine ziemliche Gratwanderung also.

Darum hier ein paar Gedanken zum Thema “Schweinegrippe und Phytotherapie bzw. Pflanzenheilkunde” – mit aller Vorsicht.

Cystus gegen Schweinegrippe? – Wenig Fakten

Im Internet wird zur Zeit vor allem Cystus (Zistrose) als antivirales Mittel gegen Schweinegrippe propagiert.
Auf die kritischen Punkte dieser Kampagne habe ich hier bereits vor einiger Zeit hingewiesen:

Cistus incanus – Grippemittel mit vielen offenen Fragen

Immunstimulation gegen Schweinegrippe? – Wirksamkeit ungeklärt

Ausserdem gibt es noch einige Heilpflanzen mit einer stimulierenden Wirkung auf das Immunsystem, wie beispielsweise Echinacea (Sonnenhut). Hier haben wir einfach keine Dokumentationen über eine allfällige Wirkung Wirksamkeit gegen Schweinegrippe. Die Studien mit Echinacea betrafen hauptsächlich Infektionen mit Rhinoviren.

Die Ergebnisse sind widersprüchlich. Zu einem positiven Schluss kam Coleman in:
The Lancet Infectious Diseases, 2007, Nr. 7, S. 473. Wikipedia fasst folgendermassen zusammen:

“2007 haben US-Wissenschaftler 14 Studien zu dem Thema ausgewertet und die Wirksamkeit von Echinacea-Präparaten bestätigt. Die Wissenschaftler um Craig Coleman von der University of Connecticut (USA) schreiben von einer Reduzierung der Gefahr einer Infektion um 60 Prozent und einer beschleunigten Heilung um durchschnittlich knapp eineinhalb Tage.”

Ich selber fände es aber ziemlich überzogen, von Echinacea eine 60prozentige Reduktion der Gefahr einer Schweinegrippe-Ansteckung zu erwarten. Mir scheinen die 60 % auch schon bei Rhino-Viren-Infektionen sehr optimistisch.

Nachdenken sollte man meiner Ansicht nach über Möglichkeiten, ob und wie mit Massnahmen aus der Pflanzenheilkunde der Übertragung von Schweinegrippe-Viren entgegen gewirkt werden könnte.

Die Gesundheitsbehörden empfehlen ja: Distanz halten, Hände waschen und unter gewissen Umständen Maske tragen.

Schweinegrippe-Viren – wirken ätherische Öle?

Mich würde interessieren, ob man mit antiviral wirkenden ätherischen Ölen günstige Effekte erzielen könnte.
Pfefferminzöl und Eukalyptusöl wirken antiviral. Könnte man einen Tropfen davon aussen auf eine Maske applizieren? Ich hatte noch keine Gelegenheit, das auszuprobieren. Vielleicht wirkt diese direkte Art der Inhalation auch zu stark?

Gewürznelkenöl entfaltet ebenfalls deutlich antivirale Effekte. Im Mittelalter haben sich in Zeiten von Pest und Cholera Ärzte geschützt durch kauen von Gewürznelken. Niemand weiss aber natürlich, ob das auch wirklich funktioniert hat. Nelkenöl kann zudem auch reizend auf Haut und Schleimhäute wirken. Ich habe es soeben ausprobiert mit dem Kauen einer Gewürznelke: Schon ziemlich aggressiv, aber man würde sich wohl daran gewöhnen, vielleicht dreimal pro Tag.
Das sind aber wie schon gesagt nur Ideen ohne konkretere Fundierung.

Kochsalzspülungen – ein bewährtes Hausmittel

Lohnen könnten sich meines Erachtens möglicherweise regelmässige Spülungen der Nase mit Kochsalzlösung. Das ist total unschädlich, billig und es gibt Hinweise darauf, dass sich damit Infektionsraten reduzieren lassen.
Siehe:
Akuter Schnupfen bei Kindern: Nasenspülungen sind wirksam

oder hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Nasensp%C3%BClung

Quercetin als Grippe-Hemmer bei Mäusen

Und dann gibt es da noch die Studie mit Quercetin zur Abwehr von Grippe-Infektionen, über die unter anderem die “Ärztewoche” in der Ausgabe Nr. 45. Vom 6. November 2008 berichtete. Publiziert wurde die Studie im “American Journal of Physiology – Regulatory, Integrative and Comparative Physiology”
(Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol 295: R505-R509, 2008).

Hier zusammengefasst und modifiziert die Infos aus der “Ärztewoche”:

Quercetin, ein natürliches Flavonoid, das reichlich in Zwiebeln vorkommt, vermindert das Gripperisiko um rund ein Dritttel und das sogar in Stresssituationen, obwohl diese bekanntlich die Abwehrkräfte schwächen und das Infektionsrisiko steigern. Das haben Forscher der University of South Carolina und der Clemson University in einer Studie festgestellt
Sie setzten für ihre Untersuchung eine Gruppe von Mäusen an drei aufeinander folgenden Tagen aufs Laufband und ließen sie exzessiv traben. Einem Teil Mäuse wurde Quercetin unters Futter gemischt, einer zweiten Gruppe nicht. Von zwei Kontrollgruppen, die nicht trainieren mussten, bekam eine ebenfalls Quercetin verabreicht. Anschliessend wurden alle Nagetiere dem Grippevirus A/Puerto Rico/8/34 (H1-N1) ausgesetzt.

Das Resultat:

Von den mit Quercetin gefütterten Mäusen widerstanden der Infektion rund ein Drittel mehr (rund 60 Prozent) als in den Gruppen ohne den Biostoff (rund 90 Prozent). Die Wissenschaftler heben hervor, das die gestressten Quercetin-Mäuse ebenso widerstandsfähig waren wie jene, die nicht trainieren mussten: Quercetin gleicht also den negativen Stress auf das Immunsystem aus.

Soweit die “Ärztewoche”. Weil Zwiebeln viel Quercetin enthalten, stand der Text unter dem Titel “Zwiebeln senken Gripperisiko”.
Allerdings fehlt dabei der Zusatz “Im Experiment bei Mäusen”. Und es sind auch nicht Zwiebeln untersucht worden, sondern reines Quercetin. Das sind wesentliche Unterschiede.

Jedenfalls wirft der Artikel mehr Fragen auf als er beantwortet. Es ist völlig unklar, ob sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, wie viel Quercetin ein Mensch umgerechnet auf sein Körpergewicht einnehmen müsste oder gar wie viel Zwiebeln ein Mensch denn pro Tag überhaupt vertilgen müsste. Ich befürchte eine sozial total unverträgliche Menge….

Dabei will ich aber nicht in Frage stellen, dass Zwiebeln gesund sind, nicht nur wegen dem Quercetin, von dem sie vor allem in den äussersten Ringen 284-486 mg pro kg enthalten.
Äpfel enthalten vor allem in den farbigen Schalen 21-440 mg/kg Quercetin und sind damit auch eine gute Quelle.

Also essen wir doch mässig Zwiebeln und beherzigen den altbewährten Grundsatz: “ An apple a day keeps the doctor away”.
Quercetin ist jedenfalls Bestandteil vieler Nahrungmittel und einiger Heilpflanzen.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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www.phytotherapie-seminare.ch

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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

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