Mit Weihrauch, Flohsamen und Probiotika gegen die Entzündung im Darm

Zahlreiche Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sind interessiert an Verfahren aus Naturheilkunde oder Komplementärmedizin. Wie wirksam sind diese Methoden?

In einer großen repräsentativen Untersuchung wurden 1000 Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (CED) zum Thema Komplementärmedizin und Alternativmedizin befragt. Mehr als die Hälfte der Kranken hatte schon Erfahrungen mit einer solchen Medizinform gemacht, schreibt Privatdozent Dr. Jost Langhorst von der Abteilung für Innere Medizin der Universität Duis-burg-Essen, Kliniken Essen-Mitte, in der “Zeitschrift für Komplementärmedizin”.

Ausprobiert hatten die Studienteilnehmer hauptsächlich Homöopathie (52 %), Phytotherapie (44 %) und Ayurveda (Weihrauch, 40 %). Über die Hälfte der Befragten (54 %) nahm probiotische Lebensmittel (z.B. Milchsäurebakterien oder Hefen) ein. ??Zur Wirkung der klassischen Naturheilverfahren existieren nur wenige klinische Studien. Belegt ist, dass Stressbelastung entzündliche Darmerkrankungen aktivieren kann. An diesem Punkt setzen die ordnungstherapeutischen Maßnahmen an. Dazu zählen Änderungen des Lebensstils und der Ernährung sowie Bewegung. Um psychosozialen Stress zu reduzieren, werden unter anderem Meditation, autogenes Training, Yoga, Qigong und Achtsamkeitstherapie empfohlen.

Gut geeignet: Die mediterrane Küche

Für die Ernährung gelten bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen grundsätzlich dieselben Vorgaben wie für Gesunde. An die mediterrane Küche angelehnte Vollwertkost soll die Patienten ausreichend mit Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien versorgen. Nur in akuten entzündlichen Stadien ist Schonkost vorzuziehen.

Linderung durch Bakterien und Bierhefe?

Die häufigste Maßnahme aus dem Bereich “Naturheilkunde” ist die Einnahme von Probiotika. Für Escherichia coli Nissle (ein säurebildendes Bakterikum) ist die Wirksamkeit so gut belegt, dass die Einnahme sogar in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) aufgenommen wurde. Die Bakterien erschweren das Anhaften krankheitsauslösender Keime an der Darmwand. ??Saccharomyces boulardii ist eine Hefe und wirkt vorbeugend gegen Durchfälle, die eventuell durch die Einnahme von Antibiotika entstehen können. Auch für Lactobacillus GG (Milchsäurebakterien) gibt es bereits CED-Studien. Bei akutem Durchfall im Schub wird auch der zusammenziehende Effekt von Heilerde genutzt. ??Für die Wirksamkeit einer Bewegungstherapie existieren kaum Belege. Allerdings ist bekannt, dass Personen, die im Freien körperlich arbeiten, seltener an Morbus Crohn bzw. Colitis ulcerosa erkranken. Deshalb wird Ausdauersport empfohlen. Im akuten Schub allerdings soll sich der Kranke schonen. ??

Phytotherapie: Flohsamen, Heidelbeere, Blutwurz….

In der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) nutzt man beispielsweise die entzündungshemmende Wirkung des Flohsamens, der zudem das Stuhlvolumen vergrössert und die Darmtätigkeit reguliert. Auch Weihrauch wird angewandt. Für den Einsatz von Myrrhe – in Kombination mit Kamille und Kaffeekohle – läuft zurzeit eine Untersuchung, berichtet der Experte. Die Gerbstoffe in getrockneten Heidelbeeren und Blutwurz wirken zusammenziehend und entzündungshemmend. Beim Ingwer wird die anregende Wirkung auf die Darmmuskulatur und die durchfallhemmende Komponente geschätzt.

Einsatz von Wurmeiern noch in Erprobung

Auch die physikalische Therapie (z.B. Infrarot- und UV-Licht, Massage) kommt bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zur Anwendung. Von Kneipp‘schen Leibwaschungen oder Leibwickeln werden krampflösende, blähungstreibende und schlaffördernde Effekte erwartete. Leibauflagen mit Kümmel, Kamille oder Heublumen kommen ebenfalls zum Einsatz. Für die Akupunktur als Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) liegen Untersuchungen vor, welche die Wirksamkeit belegen. Für die Homöopathie existieren keine CED-Studien, berichtet Dr. Langhorst. ??Die Anwendung von Wurmeiern gilt noch als experimentell. Die Theorie tönt interessant: Die Würmer sollen das Immunsystem aktivieren. ??

Kümmelöl-Auflage ?
Ein Teelöffel Kümmelöl mit sanftem Druck in die Bauchdecke einmassieren. Darauf kommt ein feuchtwarmes Tuch, welches mit einem warmen trockenen Baumwolltuch abgedeckt wird. Darüber wird dann für eine halbe Stunde eine Wärmflasche gelegt.

Medical Tribune Deutschland, Ausgabe 17 / 2009 S.20,
Jost Langhorst, ZKM 2009; 1: 12-19

Kommentar und Ergänzung zu den Empfehlungen aus der Phytotherapie:

Zum Flohsamen: Diese schleimhaltige Heilpflanze wirkt vor allem schützend auf die Schleimhäute. Bei Verstopfung nimmt man sie mit viel Wasser, damit die Polysaccharide quellen können, bei Durchfall dagegen mit weniger Wasser, weil dann die überschüssige Flüssigkeit gebunden wird. Daueranwendung möglich

Zum Weihrauch: Heilpflanzen-Präparate zum Einnehmen verwenden. Langzeitanwendung nötig, sonst bringt‘s wohl kaum etwas. Räuchern wie in der Kirche oder auch im Handel erhältliche Salben und Bäder sind unwirksam.

Zum Blutwurz (Tormentill): Stark gerbstoffhaltige Heilpflanze, wirkt stopfend bei Durchfall, würde ich nur zeitlich limitiert einnehmen (ein paar Tage).

Zur Heidelbeere: Wirken nicht nur wegen den Gerbstoffen stopfen (in getrockneter Form), sondern durch die blauen Farbstoffe (Anthocyane) wohl auch entzündungshemmend.
Siehe:
http://www.heilpflanzen-info.ch/cms/2009/01/09/farbstoffe-auch-heidelbeeren-hemmen-entzuendungen.html

Kümmelöl: Wirkt vor allem krampflösend, weil Kümmelöl wie jedes ätherische Öl gut durch die Haut resorbiert wird, könnte das Einmassieren auf der Bauchdecke wirksame sein. Will man den Kümmel gegen Blähungen einsetzen, braucht es Kümmeltee oder Kümmeltinktur peroral.

Ingwer: Könnte neben der anregenden Wirkungen auf die Darmperistaltik (Darmbewegungen) auch gegen Entzündungen wirken. Darauf deuten jedenfalls Laboruntersuchungen hin.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

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