Als Schwedenkräuter (auch Schwedenbitter) wird eine bestimmte Kombination verschiedener Heilkräuter bezeichnet. Diese Heilkräuter werden angeblich nach dem Rezept eines schwedischen Mediziners namens Dr. Claus Samst, der im 17. Jahrhundert lebte, zusammengemischt. Das Heilkräuter- Rezept soll innerhalb der Familie Samst lange verwendet worden sein. Aber auch der Arzt, Naturforscher und Theologe Paracelsus hat schon ähnliche Mischungen zubereitet, hauptsächlich zur Förderung der Verdauung, aber auch als Mittel, das Leben zu verlängern. Die österreichische Kräuterbuch-Autorin Maria Treben hat dieses Rezept in ihrer Publikation „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“ bekannt gemacht und es Claus Samst zugeschrieben. Über diesen Claus Samst ist ansonsten nichts weiter bekannt, nicht einmal seine Lebensdaten sind überliefert, so dass immer wieder verbreitete Behauptungen, er sei über 100 Jahre alt geworden, jeder Grundlage entbehren.

Andere Quellen schreiben die Kräutermischung dem schwedischen Arzt Urban Hjärne (1641-1724) zu, dessen Daten und Biografie überliefert sind; er war der Leibarzt des schwedischen Königshauses und Anhänger von Paracelsus. Von Urban Hjärne ist jedenfalls das Rezept für eine Mixtur namens Elixir amarum Hjaerneri (ad longam vitam) überliefert, also ein Mittel zur Lebensverlängerung. Diese Kräutermixtur wurde ab 1796 im Deutschen Reich als Kronessenz verkauft und galt als Wundermittel. Urban Hjärne wurde nachweislich 83 Jahre alt.

Anwendung von Schwedenbitter

Den Schwedenkräutern werden neben der Förderung der Verdauung (auf Grund der Bitterstoffe) verschiedene weitere heilende Wirkungen zugeschrieben. Obwohl die Kräutermischung unter anderem zur Behandlung von Verdauungsbeschwerden und Appetitlosigkeit empfohlen wird, wird sie neuerdings auch als Fatburner propagiert. Außerdem soll die äußerliche Anwendung unter anderem bei Neurodermitis und Muskel- und Gelenkschmerzen wirksam sein. Darüber hinaus soll durch die Einnahme von Schwedenkräutern das Immunsystem gestärkt werden.

In einer alten Handschrift werden 40 Indikationen aufgeführt, zum Schluss heißt es: „Wer täglich diese Tropfen früh und abends nimmt, braucht keine andere Medizin, denn diese stärken den Körper, erfrischen die Nerven und das Blut, nehmen das Zittern der Hände und Füße. Kurz sie nehmen überhaupt alle Krankheiten.“

Quelle: Wikipedia

Kommentar & Ergänzung:

Schwedenkräuter / Schwedenbitter – das ist ein typisches Beispiel für ein angebliches Wundermittel, das gegen fast alle Beschwerden und Krankheiten helfen soll.

Solche Wundermittel werden medizinhistorisch als Panazeen bezeichnet und die Tatsache, dass jede Zeit ihre Wundermittel hat, ist ein Hinweis dafür, dass dadurch wohl dringende menschliche Bedürfnisse befriedigt werden. Wie erleichternd ist es doch, ein Mittel in der Hand zu haben, das uns gegen alle Gebresten schützen kann. Das ist nicht zuletzt wohl ein Schutz gegen die Ohnmachtsgefühle, welcher wir in der Konfrontation mit Krankheiten oft begegnen.

Aus welchen Heilpflanzen setzen sich Schwedenbitter / Schwedenkräuter überhaupt zusammen?

Hier ein Rezept für den Kleinen Schwedenbitter:

Kleiner Schwedenbitter

Die folgenden Angaben beziehen sich auf eine Menge von 2,5 Liter Branntwein, Kornschnaps oder Ähnlichem.

16,7 g Aloe (es kann auch Enzianwurzel oder Wermutpulver verwendet werden)

8,3 g Myrrhe

0,33 g Safran

16,7 g Sennesblätter

16,7 g Kampfer (nur Naturkampfer)

16,7 g Rhabarberwurzel

16,7 g Zittwerwurzel

16,7 g Manna cannelata

16,7 g Theriak venezian

8,3 g Eberwurzwurzel

16,7 g Angelikawurzel

Soweit also das Rezept. Kommentar dazu:

– Der Schwedenbitter enthält Bitterstoffpflanzen (z. B. Angelikawurzel) mit verdauungsfördernder Wirkung.

– Aloe, Sennesblätter und Rhabarberwurzel enthalten Anthranoide. Das sind stark abführende Wirkstoffe, die bei Langzeitgebrauch zu Abhängigkeit führen können. In einem solchen Rezept sind diese Anthranoid-Heilpflanzen problematisch.

– Warum Aloe durch Enzianwurzel oder Wermutpulver ersetzt werden kann, ist nicht nachvollziehbar. Die Wirkung von Aloe und Enzianwurzel bzw. Wermut ist total unterschiedlich. Diese Angabe ist willkürlich.

– Manna cannelata, aus dem süßen Saft der Manna-Esche ist ein mildes osmotisches Abführmittel. Auch hier ist der Sinn dieses Schwedenbitter-Bestandteils für die ganze Palette der Heilungsversprechungen fraglich.

– Kampfer ist ein Analeptikum, ein belebendes, kreislaufanregendes Mittel. Kampfer in sehr limitierten Dosen eingenommen hebt den Blutdruck an bei Hypotonie (niederem Blutdruck). Aber dazu gibt es Heilpflanzen-Präparate mit Kampfer, die nicht wie die Schwedenkräuter auch noch blödsinnigerweise Abführmittel enthalten.

– Bitterstoffe können bei bestimmten Verdauungsbeschwerden nützlich sein, doch ist die Kombination mit starken Abführmitteln unsinnig. Wer Bitterstoffe nutzen will, tut dies wohl besser ohne Schwedenkräuter, zum Beispiel mit einem Heilpflanzen-Präparat aus Artischockenblätter.

Fazit: Hier wird mit einem angeblichen Wundermittel den Konsumentinnen und Konsumenten das Geld aus der Tasche gezogen. Aber sehr viele Menschen brauchen offenbar ein solches Wundermittel, koste es was es wolle.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch