Kommentar zur Medienkonferenz von BR Couchepin:

Bundesrat Pascal Couchepin überlässt es ganz dem Parlament, was es aus einem Ja am 17. Mai machen will.
Vor den Medien machte der Gesundheitsminister in Bern keinen Hehl daraus, dass er den Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Volksinitiative “Ja zur Komplementärmedizin” unnötig findet. Pflichtgetreu vertrat er jedoch die Ja-Parole des Bundesrates, welcher dem Parlament vor Urnengängen nicht widersprechen darf.
Wie bereits schon bei früherer Gelegenheit dämpfte der Gesundheitsminister die Hoffnung und Erwartung der Befürworter, die von ihm 2005 aus der Grundversicherung gekippten fünf ärztlichen Methoden Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Phytotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin und Neuraltherapie würden erneut kassenpflichtig.
Bedenken äusserte der Gesundheitsminister wegen der Mehrkosten, die eine stärkere Berücksichtigung der Komplementärmedizin seiner Ansicht nach bringen könnte. Die fünf provisorisch aufgenommenen Methoden Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Phytotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin und Neuraltherapie hätten die Krankenversicherung 2004 zwar nur 25 Millionen Franken gekostet. Nun jedoch wendeten die Zusatzversicherungen über 200 Millionen für die Komplementärmedizin auf.

Quelle: sda / www.sonntagszeitung.ch, 9. April 2009

Kommentar: Abstimmung Komplementärmedizin am 17. Mai: Nein oder Ja?

Dass Bundesrat Couchepin weder von der Initiative noch vom Gegenvorschlag viel hält, ist schon lange klar. Meine eigene Begeisterung darüber hält sich ebenfalls in engen Grenzen. Für mich steht noch gar nicht fest, dass die Naturheilkunde bzw. Komplementärmedizin dadurch eine guten Schritt vorwärts macht. Mich stört im Vorfeld dieser Abstimmung, dass es kaum zu einer inhaltlichen Diskussion kommt und kritische Einwände allenfalls aus einer Finanz-Perspektive heraus erhoben werden. So auch hier wieder. Wenn Bundesrat Couchepin sagt, die fünf Methoden hätten 2004 nur 25 Millionen Franken gekostet, die Zusatzversicherungen nun aber bereits 200 Millionen Franken, so vergleicht er zudem meiner Ansicht nach Äpfel mit Birnen.
Während es sich bei den 25 Millionen Franken um fünf begrenzte Methoden handelt, umfasst die Zusatzversicherung ein fast grenzenloses Sammelsurium von Methoden, ist kaum eingegrenzt.

Im Bereich der Zusatzversicherungen werden zudem zahlreiche Verfahren via Krankenkasse abgerechnet, deren Bezug zur Heilkunde fraglich ist, und die wohl eher zum Thema Wellness, Lebensbewältigung, Sinnsuche etc. gerechnet werden müssten (“Partnerschaftsprobleme? Kinesiologie hilft! EMR-Anerkannt”). Im Bereich der Zusatzversicherungen fehlen engere Grenzen und vor allem existiert nicht im Ansatz eine überzeugende Qualitätskontrolle.

25 Millionen Franken

Daher lassen sich die 25 Millionen Franken von 2004 (Grundversicherung mit fünf Methoden) und die heutigen 200 Millionen (Zusatzversicherung incl. nichtärztlicher Bereich und mit unzähligen Methoden) nie und nimmer vergleichen.
Mir fehlt aber die inhaltliche Auseinandersetzung im Vorfeld dieser Abstimmung (und auch generell vorher und nachher):

Welche Komplementärmedizin ist sinnvoll und welche nicht?

Welche Komplementärmedizin ist wirksam und welche nicht?

Wie lässt sich eine glaubwürdige Qualitätssicherung aufbauen im Bereich von Komplementärmedizin bzw. Naturheilkunde? Bisher wird nämlich den Konsumentinnen und Konsumenten mit “Labels” wie dem EMR eine Qualitätssicherung nur vorgegaukelt.

An dieser Konsumententäuschung sind auch Krankenkassen sowie Kantone wie Graubünden und Luzern beteiligt, die sich auf solche leeren “Labels” abstützen.

Das “Erfahrungsmedizinische Register” (EMR) beispielsweise ist eine Abteilung der Privatfirma Eskamed, einer Kommunikationsagentur in Basel. Hier wird angeblich die Qualität von nichtärztlichen Therapeutinnen und Therapeuten im Bereich Komplementärmedizin / Naturheilkunde beurteilt. Aber genau genommen werden vor allem Ausbildungsstunden und Weiterbildungsstunden zusammengezählt. Was in diesen Ausbildungsstunden für Inhalte vermittelt wird, ob hier Bullshit erzählt wird oder fundiertes Wissen, ist dem EMR und offenbar auch den Krankenkassen ziemlich egal (sonst gäbe es nicht so viel Bullshit in diesem Bereich).

Inhaltliche Qualität zählt nichts im Bereich von Komplementärmedizin / Naturheilkunde. Das halte ich für verheerend.
Hier müsste meines Erachtens die Diskussion geführt werden und nicht nur beim Punkt der Finanzen. Die Befürworter dieses Verfassungsartikels müssten genau aufzeigen, wie sie sich eine (auch inhaltliche) Qualitätssicherung vorstellen.
Die Fragestellung “Komplementärmedizin Ja oder Nein?” bleibt undifferenziert im Lagerdenken stecken. Es müsste mindestens so gründlich diskutiert werden darüber, welche Komplementärmedizin wir wollen / brauchen – und welche nicht.

Zur Abstimmung über den Verfassungsartikel zur Förderung der Kommplementärmedizin siehe auch folgenden Beitrag:
http://www.heilpflanzen-info.ch/cms/2009/04/03/volksabstimmung-zur-foerderung-der-komplementaermedizin-ja-oder-nein.html

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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www.phytotherapie-seminare.ch

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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

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