Vor kurzem bin ich auf eine Ausbildung zum Geistheiler mit Diplom gestossen.

Den Markennamen lasse ich weg, weil ich für diesen Schwachsinn nicht noch Werbung machen möchte. Jedenfalls handelt es sich um ein geschütztes, eingetragenes Markenzeichen ®, nennen wir die Methode Mystery®.

Diese Ausbildung „diplomierter Geistheiler Mystery®“ scheint mir sehr fragwürdig.

Erstens:

Diplomierter Geistheiler Mystery® können Sie werden in nur 18 Tagen. Ein Grundkurs von fünf Tagen, zwei Aufbaublöcke von acht und fünf Tagen. Fix geht das. In dieser Zeit haben Sie nicht nur Ihre eigenen Blockierungen und Charakterschwächen gelöscht – so steht es in der Ausschreibung. Sie sind nun auch in der Lage, diese tiefgreifenden Heilungsprozesse bei Ihren Kundinnen und Kunden durchzuführen.

Ich gehe nicht davon aus, dass diese grandiosen Versprechungen wahr sind. Aber nehmen wir mal quasi übungshalber an, das wäre tatsächlich der Fall. Dann würden Sie innert sehr kurzer Zeit einen radikalen Umbau Ihrer Persönlichkeit durchmachen – dank Löschung von Blockierungen und Charakterschwächen. Da stellen sich einige Fragen:

– Wer entscheidet aufgrund welcher Kriterien, welche „Blockierungen“ und „Charakterschwächen“ zu löschen sind?

– Was als „Blockierung“ oder „Charakterschwäche“ bezeichnet wird, hat oftmals nicht nur negative Auswirkungen, sondern nicht selten zugleich in gewissen Bereichen eine positive Funktion. Kann eine solche Löschung nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen führen?

–  Was bedeutet es für Ihre langjährigen Beziehungen, Ihre Freundschaften und Ihr Arbeitsumfeld, wenn Sie sich in so kurzer Zeit derart fundamental verändern? Kommen Ihre Mitmenschen da noch mit oder kommt es zum Bruch?

Zweitens:

Wer von Geistheilung redet, müsste zuerst einmal auf den Tisch legen, was er oder sie unter „Geist“ versteht, weil wir es hier mit einem sehr vieldeutigen Begriff zu tun haben.

Gemäss dem „Lexikon der philosophischen Begriffe“ (Alexander Ulfig, Fourier Verlag 1999) kann der Begriff „Geist“ bedeuten:

„  1.) Gegensatz zu Materie und Körper (ähnlich wie Seele);

2.) Vernunft, Verstand als Erkenntnisvermögen;

3.) Göttliches Prinzip („Heiliger Geist“);

4.) Geistige Lebenseinstellung (geistiger Mensch, geistige Entfaltung; Gegensatz: Banause);

5.) Inbegriff der in einer Epoche bzw. Zeit oder einer Gruppe bzw. Gemeinschaft herrschenden Ideen, Gesinnungen, Wertmassstäbe usw. („Zeitgeist“);

6.) Geistige Begabung, Intelligenz („geistreich“);

7.) Numinoses Wesen in primitiven Religionen und im Volksglauben.“

Die Punkte 2, 4, 5, 6 und 7 scheinen mir für „Geistheilung“ nicht zu passen.

Bleiben also die Punkte 1 und 3.

Punkt 1: Geist als Gegensatz zu Materie und Körper (ähnlich wie Seele).

Da sind wir also im Leib-Seele-Geist-Problem gelandet, eine philosophisch hoch komplexe Diskussion seit mehreren tausend Jahren.

Da stellt sich grundsätzlich die Frage, ob man das monistisch, dualistisch oder gar trialistisch sieht. Also ob das alles ein Bereich, zwei oder gar drei getrennte Bereiche sind. Geist – Seele – Körper.

Schon der Begriff „Geistheilung“ isoliert Geist als Methode des Heilens. Das legt ein dualistische oder trialistisches  Verständnis nahe. Geist / Seele steht Körper / Materie gegenüber.

Dann stellt sich sehr zentral die Frage, wie genau „Geist“ auf „Körper“ wirkt, wenn es um Heilung geht. Oder wird der Körper ganz ausgeklammert und hat gar keine Bedeutung?

Fragen Sie doch Ihren Geistheiler, Ihre Geistheilerin vor der nächsten Behandlung. Es geht schliesslich um den „Informed Consent“, die informierte Einwilligung vor einem Eingriff.

Vielleicht geht es bei der Ausbildung zum diplomierten Geistheiler Mystery® (oder bei der praktizierten Geistheilerei Mystery®) eher um

Punkt 3: Geist als göttliches Prinzip („Heiliger Geist“);

Dann handelt es sich bei dieser 18-Tage-Geistheiler-mit-Diplom-Ausbildung® vielleicht um so etwas wie eine stark abgekürzte Priesterausbildung – ein Turbo-Priesterseminar quasi? In unserer Fast-Food- und Instant-Epoche allerdings sehr zeitgemäss.

Auch in diesem Fall müsste nun genauer geklärt werden, welche Vorstellung von „Geist“ und welche Vorstellung von „Heilen“ dem „Geistheilen“ zugrunde liegen. Nur schon die Vorstellungen von „Geist“ unterscheiden sich doch erheblich in Christentum, Islam und Buddhismus. Und in jeder dieser Religionen gibt es darüber hinaus noch einige Dutzend Varianten von „Geist-Vorstellungen“.

Wenn Ihr Geistheiler oder Ihre Geistheilerin zu diesem religiösen Konzept neigt, dann fragen Sie ihn oder sie doch nach den zugrundeliegenden Überzeugungen.

Drittens:

Wenn Sie ein Medikament einnehmen, lesen Sie ja hoffentlich auch den Beipackzettel zu Risiken und Nebenwirkung. Wie bei jedem angepriesenen Heilmittel, müsste eigentlich auch bei der Geistheilung ein Beipackzettel vorliegen:

„Zu Risiken und Nebenwirkungen:

Geistheilung kann zu psychischer Abhängigkeit führen. Es besteht die Gefahr, dass notwendige psychotherapeutische oder medizinische Abklärungen und Behandlungen verpasst werden. Wiederholte Inanspruchnahme von Geistheilung kann zudem den Kontostand negativ beeinflussen.“

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

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