Die sogenannte „Arzneimittelprüfung“ ist die Basis der Homöopathie.

Sie gründet auf der Überzeugung, dass Krankheiten durch ein Mittel geheilt werden sollen, das bei Gesunden ähnliche Symptome hervorrufen, wie sie bei dem Kranken beobachtet werden (Simile-Prinzip).

Um die mit einem bestimmten Mittel verbundenen Symptome festzustellen werden „homöopathische Arzneimittelprüfungen“ durchgeführt. Dabei nehmen gesunde Personen ein Mittel ein und notieren alle Veränderungen und Reaktionen, die sie an sich feststellen. Die aufgezeichneten Symptome mehrerer solcher Prüfungen werden zu einem sogenannten homöopathischen Arzneimittelbild für das geprüfte Mittel zusammengefasst. Kommt nun ein kranker Mensch in die Praxis, muss ihm laut Homöopathie dasjenige Mittel gegeben werden, dessen Arzneimittelbild den Symptomen des Kranken weit möglichst entspricht.

Die homöopathischen Arzneimittelprüfungen werden allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt und bis heute gibt es zur Durchführung keine Vorschriften, sondern nur Empfehlungen.

Völlig unklar ist beim herkömmlichen Vorgehen zudem, wie bei auftretenden Veränderungen und Symptomen in der Prüfphase unterschieden werden soll zwischen solchen, die auf das Mittel zurückgehen und damit relevant sind, und solchen, die zufällig, durch andere Einflüsse oder durch Nocebo-Effekte auftreten.

Der Homöopathie-Gründer Samuel Hahnemann hatte dazu eine klare Meinung:

„Alle Beschwerden, Zufälle und Veränderungen des Befindens der Versuchsperson während der Wirkungsdauer einer Arznei rühren bloß von dieser her und müssen als deren eigentümlich zugehörig, als ihre Symptome angesehen werden und aufgezeichnet werden..“ (Organon der Heilkunst, § 143)

Mit anderen Worten: Hahnemann umgeht die Schwierigkeit der Unterscheidung, indem er die Existenz unterschiedlicher Möglichkeiten negiert.

Um die homöopathische Arzneimittelprüfung auf eine seriösere Basis zu stellen, werden heute vereinzelt auch Prüfungen mit hohen Standards durchgeführt:

– Placebokontrolliert: Es gibt eine Vergleichsgruppe, die unbehandelte Globuli einnimmt.

– Randomisiert: Es wird per Zufall entschieden, wer das homöopathisch hergestellte Globuli bekommt und wer das unbehandelte Placebo-Präparat.

– Doppelblind: Weder Prüfling noch Prüfer wissen während der Prüfung, wer homöopathische Globuli bekommt und wer unbehandelte Globuli.

 

Moderne Arzneimittelprüfung mit Okoubaka 

Eine solche moderne Arzneimittelprüfung mit hohen Standards wurde mit dem homöopathischen Mittel Okoubaka durchgeführt, für das bisher keine fundierten Prüfungsresultate vorlagen.

Okoubaka, Okoubaka aubrevillei (Santalaceae), ist ein westafrikanischer Urwaldbaum, der hauptsächlich an der Elfenbeinküste und in Ghana heimisch ist.

In der Homöopathie erfreuen sich Präparate aus Okoubaka aubrevillei grosser Beliebtheit, vor allem bei Magenbeschwerden und Darmerkrankungen.

Die nun publizierte moderne Arzneimittelprüfung mit Okoubaka aubrevillei wurde von Autoren publiziert, die der Carstens-Stiftung nahestehen, welche die Förderung der Homöopathie zum Ziel hat:

–        Dr. Michael Teut: Oberarzt und Leiter der naturheilkundlichen Ambulanz an der Charité Berlin;

–        Prof. Dr. Claudia Witt: (inzwischen ehemalige) Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Charité Berlin, die dort eine von der Carstens-  Stiftung finanzierte Stiftungsprofessur inne hatte und auf dem Lehrstuhl für Komplementärmedizin an der Universität Zürich sitzt,

–        Rainer Lüdtke, mittlerweile ehemaliger Statistiker der Carstens-Stiftung;

–        Jörn Dahler: Arzt, Homöopath und Autor homöopathischer Fachbücher;

–        Dr. Henning Albrecht, Biologe und Geschäftsführer der Carstens-Stiftung;

–        Ute Hirschberg, Doktorandin an der Charité.

In die doppelblinde und randomisierte Arzneimittelprüfung wurden 31 Testpersonen eingeschlossen, wovon letztlich von 29 Probanden Daten zur Auswertung vorlagen. 19 Probanden bekamen das Verum (O. aubrevillei C12), 12 Testpersonen prüften unwissentlich Placebopräparate, also unbehandelte Globuli. Das zu prüfende Präparat wurde an 5 Tagen eingenommen, und die Nachbeobachtungszeit betrug 16 Tage. Die Testpersonen notierten die auftretenden Symptome, die anschließend statistisch ausgewertet wurden.

Jeweils eine Testperson aus der Verum- und Placebogruppe schieden aus der Auswertung aus. Beim Vergleich der Symptome der verbliebenen 18 Testpersonen aus der Verumgruppe mit den Symptomen der verbliebenen 11 Testpersonen aus der Placebogruppe wurde kein statistisch signifikanter Unterschied in der Anzahl der als charakteristisch eingestuften Symptome festgestellt. Die Übereinstimmung der beiden Gutachter bei der Bewertung der typischen Symptome war hoch. In der Gesamtheit der auftretenden Symptome, also nicht nur bezogen auf die als charakteristisch eingestuften Symptome, war die Überlappung zwischen Placebo- und Verumgruppe ebenfalls sehr groß, wenn sich auch durchaus Symptome zeigten, die nur in einer von beiden Gruppen auftraten.

 

Die Autoren verweisen zur Erklärung der beobachteten Symptome auf den Nocebo-Effekt:

„The nocebo effect might be a plausible explanation for most of the phenomena observed in this trial)

Quelle / Originalpublikation:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23561008

 

Die Carstens-Stiftung schreibt in ihrer Einschätzung:

„Das Ergebnis ist ernüchternd für Homöopathieanwender und wird sicher Fragen nach sich ziehen.“

Quelle:

http://www.carstens-stiftung.de/artikel/moderne-arzneimittelpruefung-mit-okoubaka.html

 

Kommentar & Ergänzung:

Dieses Resultat ist tatsächlich ernüchternd für Homöopathie-Anwender. Nimmt man die Studie ernst, so fehlt dem häufig eingesetzten Präparat Okoubaka nämlich ein homöopathisches Arzneimittelbild – und damit die homöopathische Basis. Okoubaka kann dadurch nicht als Homöopathika eingesetzt werden.

Davon, dass dieses Ergebnis „sicher Fragen nach sich ziehen wird“, ist meinem Eindruck nach allerdings nichts zu spüren.

Okoubaka wird ganz offensichtlich weiter propagiert, verkauft und verschrieben, beispielsweise vom Homöopathika-Hersteller Similasan.

Die Firma propagiert Okoubaka für folgende Krankheiten:

Wirkt bevorzugt auf 
Verdauungsorgane (Magen, Därme, Leber, Gallenblase, Pankreasdrüse), Immunsystem.

Hauptindikationen 
Müdigkeit, Schwäche. Kinderkrankheiten. Bluthochdruck (Hypertonie)*. Vergiftungen durch Lebensmittel*, chemische Arzneimittel, Tabak, chemische Zusätze in Nahrungsmitteln. Folgen von Chemotherapien. Toxoplasmose* (während und danach). Tropenkrankheiten* (Nachbehandlung und vorbeugend). Leber- und Gallebeschwerden. Pankreasschwäche. Heuschnupfen, Allergien. Akne. Herpes (Lippen). Hautausschläge.

* = Selbstbehandlung nur in Absprache mit der Ärztin, mit dem Arzt und als erste Hilfe.“

Quelle:

http://www.similasan.swiss/de/

(Stand 20. Juli 2014)

 

Nimmt man die beschriebene Arzneimittelprüfung ernst, so fehlt den Angaben der Firma Similasan eine fundierte Basis.

Warum also wird das Mittel noch verkauft?

Homöopathika wie Okoubaka sind durch die Arzneimittelbehörden von der Pflicht befreit, für beanspruchte Wirkungen und Anwendungsbereiche (Indikationen) Wirksamkeitsnachweise zu liefern. Sie können in dieser Hinsicht also fast alles behaupten. Okoubaka aber hat offensichtlich nicht einmal eine homöopathische Basis.

Abschliessend zu der beschriebenen Arzneimittelprüfung ist lobend festzuhalten, dass die Studie in einer Fachzeitschrift und auf der Website der Carstens-Stiftung publiziert wurde. Das ist leider nicht selbstverständlich. In der „normalen“ Pharmaindustrie wie auch in der „komplementären“ Pharmaindustrie verschwinden Studien nicht selten in einer Schublade, wenn die Resultate den Geldgebern nicht passen (Siehe publication bias auf Wikipedia).

Das negative Resultat für die Homöopathie wird von den Autoren auch nicht schöngeredet, obwohl es sie wohl kaum gefreut haben dürfte.

Das ist anerkennenswert und ebenfalls nicht selbstverständlich.

Okoubaka ist allerdings kein Einzelfall. Auch bei Belladonna C30 / Belladonna D60 fanden placebokontrollierte Arzneimittelprüfungen keinen Unterschied zwischen dem homöopathischen Präparat und Placebo.

Siehe dazu:

Arzneimittelprüfung Belladonna C30 / Belladonna D60

Nimmt man diese Arzneimittelprüfungen ernst, so ist klar, dass auch Belladonna C30 / Belladonna D60 keine homöopathische Basis hat.

Und obwohl diese Prüfungen schon einige Jahre her sind, hat das offenbar keinen Einfluss gehabt auf die Verschreibungspraxis. Belladonna C30 / Belladonna D60 wird weiterhin als homöopathisches Präparat verschrieben und verkauft.

Erstmals im grösseren Stil mit einer Placebokontrolle durchgeführt wurden die homöopathischen Arzneimittelprüfungen offenbar im „Dritten Reich“. Sie sind deshalb auch Thema im sogenannten „Donner Bericht“. Der Internist und Homöopath Fritz Donner (1886 – 1979) war in den Jahren 1936 bis 1939 an Überprüfungen homöopathischer Arzneimittel beteiligt, die vom damaligen Reichsgesundheitsamt zwecks Förderung der Homöopathie angeordnet worden waren.

Interessant zur Geschichte der homöopathischen Arzneimittelprüfung ist auch der Brief Fritz Donners an den Kollegen Erich Unseld.

 

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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