Eingewanderte Pflanzen sind nicht nur schädlich, sie können sich auch als Nutzpflanzen für Medizin und Industrie eignen. Ihre Inhaltsstoffe sind nun Gegenstand der Forschung.

Invasive Pflanzen, sogenannte Neophyten, sind ursprünglich in einer Region nicht einheimische Pflanzen, die entweder absichtlich ausgesetzt, unabsichtlich eingeschleppt wurden oder aufgrund von Klimaveränderungen neue Standorte besiedeln, auf denen sie bis anhin nicht heimisch waren. Häufig werden sie als Viehfutter kultiviert oder in Gärten als Zierpflanzen eingesetzt, egal, ob sie zur heimischen Pflanzenwelt passen oder nicht.

Dass sie in zahlreichen Fällen heimische Arten konkurrenzieren und zum Teil von den Standorten verdrängen, tritt meist nach Jahren der Einschleppung auf und erweist sich erst dann als Problem. In vielen Fällen sind Neophyten widerstandfähiger und schneller wachsend als die heimischen Pflanzenarten.

Bekannte Beispiele für Neophyten sind der Götterbaum, das Drüsige Springkraut oder Ragweed. Manche können gesundheitliche Probleme mit sich bringen wie das Traubenkraut (Ragweed, Ambrosia), dessen Pollen allergische Reaktionen auslösen können.

Andere wiederum richten sogar volkswirtschaftliche Schäden an wie der aus Asien stammende Staudenknöterich, der vor allem Uferböschungen besiedelt, diese jedoch mit seinem Wurzelwerk eher zerstört als sichert. Er sprengt mit seinen kräftigen Wurzeln Asphaltdecken und Mauerkanten.

Neophyten und ihr Potenzial als Nutzpflanzen

Neophyten bergen jedoch auch ein Potenzial als Nutzpflanzen in sich, welches der Botaniker René Rehorska von der Universität in Graz erforscht: „Einiges zu diesem Thema ist in der Literatur bereits zu finden, doch meist wurde es nicht weiterverfolgt oder die Angaben sind zu vage. Wir wollen in einem Forschungsprojekt den Inhaltsstoffen einiger Neophyten auf den Grund gehen.“

Dazu werden die verschiedenen Säfte einer Pflanze extrahiert und im Labor untersucht. In Kooperation mit dem Mykologen Walter Buzina (Institut für Hygiene, Mikrobiologie, Umweltmedizin) werden die pflanzlichen Extrakte gescreent, beispielsweise im Hinblick darauf, ob sie gegen humanpathogene Pilze, wie Hefepilze Candida albicans, wirksam sind. Die Wissenschaftler vermuten in den Neophyten auch wirksame Substanzen gegen Soor bei immunschwachen Menschen oder gegen Schadpilze in der Landwirtschaft, die sogar Kontaktlinsen besiedeln können.

Andere invasive Pflanzen wie der aus China stammende Götterbaum seien potenzielle Quellen für Herbizide, erklärt Rehorska.

Der Wurzelsaftextrakt vom Götterbaum besitzt eine stark hemmende Wirkung auf die Keimung von Kressesamen. Das Aufbringen des Wurzelsaftes des Götterbaumes auf frisch gepflügte Ackerflächen – noch vor der Aussaat – hat eine enorme Wirkung. Es kommen nach der Götterbaum-Anwendung praktisch keine Wildkräuter auf.

Die Forscher wollen neue Bekämpfungsstrategien entwickeln, um kostengünstige und effiziente Lösungen zu finden, aber eben eine umweltverträgliche Herbizidnutzung.

Die Amerikanische Kermesbeere soll gemäss Literaturhinweisen Proteine enthalten, die Virusinfektionen bei Kürbis und Tabakpflanzen verhindern. Die Botaniker versuchen diesen Effekt zu bestätigen. Die Kermesbeere wurde in Europa wahrscheinlich eingeführt, um Wein einzufärben, was jedoch längst nicht mehr gemacht wird.

Einige Inhaltsstoffen des Japanischen Staudenknöterichs sollen neben einer Wirkung gegen den Mehltau, einer Pilzerkrankung (unter anderem der Weinreben), auch eine hemmende Wirkung auf andere Pflanzen entfalten. die Wirkung der Extrakte wurden an Kresse getestet, die Resultate waren aber nicht eindeutig. Zwar wurde eine hemmende Wirkung auf das Wurzelwachstum beobachtet, aber der Spross teilweise im Wachstum stimuliert.

Zur pharmazeutischen Wirkung von Neophyten

Vermutet wird zudem eine pharmazeutische Wirkung des japanischen Staudenknöterichs. Die Pflanze wird in der traditionellen chinesischen Medizin und in der japanischen Volksmedizin verwendet. In seinem Rhizom (im unterirdischen Spross) wurde der Wirkstoff Resveratrol gefunden. Resveratrol wurde eine zeitlang aufgrund des sogenannten „Französischen Paradoxons“ und seiner angeblich lebensverlängernden Wirkung in aller Munde. Die Franzosen essen gern fett und trinken gern Wein, doch sind Herzerkrankungen bei ihnen seltener, obwohl sie genau bei dieser Lebensweise häufiger auftreten müssten. Resveratrol steckt in den Schalen von Weintrauben. Es verhindert angeblich die Plaquebildung in den Blutgefässen und somit die Entstehung von Arteriosklerose. Deshalb könnte der Staudenknöterich als mögliche Resveratrolquelle von Bedeutung sein.

Rehorska und seine Mitarbeiter (Wilfried Pfeifhofer, Maria Müller und Jürgen Lernbeiß) untersuchten, ob Resveratrol überhaupt in der Pflanze nachweisbar ist. Dabei tauchte die Substanz in den Analysen interessanterweise erst gegen Ende der Vegetationsperiode in feststellbaren Mengen auf. Resveratrol könnte in der Pflanze eine Schutzfunktion gegem Pilzinfektionen haben. Aufgrund der chemischen Struktur vermuten die Forscher zudem eine pharmazeutische Wirkung, die jedoch erst noch bewiesen werden muss.

Ziel der Grazer Wissenschaftler ist es, einerseits aufzuklären, welche Mechanismen invasive Neophyten so konkurrenzstark und erfolgreich machen, und andererseits Wege zu finden, wie sich die wirksamen Inhaltsstoffe dieser Pflanzen kostengünstig und in ausreichenden Mengen gewinnen lassen.

Quelle:

http://diepresse.com/home/science/1261220/Schaedlinge-als-Nuetzlinge?_vl_backlink=/home/science/index.do

Kommentar & Ergänzung:

Das erwähnte Resveratrol zeigt im Labor eindrückliche Wirkungen, doch sind die Belege für entsprechend positive Effekte beim Menschen noch sehr schwach. Die Vermarktung – unter anderem als Anti-Aging-Mittel und zur Krebsprophylaxe – läuft wieder einmal auf Hochtouren, bevor auch nur die wichtigsten der offenen Fragen bezüglich Wirksamkeit geklärt sind.

Siehe auch:

Zur Bioverfügbarkeit von Resveratrol

Resveratrol aus Weintrauben als Diabetes-Heilmittel?

Resveratrol aus Rotwein als Entzündungshemmer

Weitere bedeutende Neophyten sind der Riesenbärenklau und die Ambrosia:

Riesenbärenklau: Risiko von Hautentzündungen

Ambrosia-Allergie & Ambrosia-Bekämpfung

 

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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