Seit einigen Jahren kommen immer mehr pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt. Das sind Produkte aus Pflanzen, die keine Zulassung als Arzneimittel haben, aber mit gesundheitlichen Verkaufsargumenten beworben werden. Ein Teil dieser Nahrungsergänzungsmittel gleicht in der Aufmachung pflanzlichen Arzneimitteln, zum Beispiel durch die Konfektionierung in Kapselform. Auch werden viele Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken und Drogerien verkauft, wo Konsumentinnen und Konsumenten eigentlich den Verkauf von Arzneimitteln erwarten. Nahrungsergänzungsmittel müssen aber im Unterschied zu Arzneimitteln ihre Wirksamkeit nicht belegen.

Während einige dieser Produkte pflanzlichen Arzneimitteln ähnlich sind, sind andere Produkte häufig unterdosiert. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen, empfiehlt Univ.-Prof. Dr. Franz Bucar, die angegebenen Inhaltstoffe und Dosierungen genau unter die Lupe zu nehmen.

„Das Grundproblem bei Nahrungsergänzungsmitteln ist, dass sie vom Erscheinungsbild Arzneimitteln sehr ähnlich sind“, sagte Univ.-Prof. Dr. Franz Bucar vom Department für Pharmakognosie der Universität Graz bei den Südtiroler Herbstgesprächen. So werden Nahrungsergänzungsmittel in abgepackten Dosierungen an die Konsumenten abgegeben und mit gesundheitsorientierten Aussagen beworben.

Ursprünglich enthielten Nahrungsergänzungsmittel hauptsächlich Vitamine und Spurenelemente. Dies machte die Beschreibung ihrer Wirkstoffe verhältnismässig einfach. In den letzten Jahren kamen jedoch immer mehr Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt, die Heilpflanzen-Extrakte enthalten.

„Die pflanzlichen Extrakte müssen sehr gut beschrieben sein, damit man weiß, womit man es zu tun hat“, sagte Prof. Bucar. So können aus einer Heilpflanze unterschiedliche Extrakte hergestellt werden. Er gab auch zu bedenken, dass Extrakte von Pflanzen, die mit der normalen Nahrung konsumiert werden, nicht automatisch toxikologisch unbedenklich sind.

Dosierungsprobleme bei Nahrungsergänzungsmitteln

Eines der größten Probleme bei Nahrungsergänzungsmitteln auf der Basis von Heilpflanzen ist die unterschiedliche Zusammensetzung.

So wird in manchen Produkten ein Pflanzenpulver verwendet, in anderen Fällen wieder ein Pflanzenextrakt in konzentrierter Form. „Manchmal gibt es auch Angaben, die sich auf eine bestimmte Substanz im Pflanzenextrakt beziehen“, erklärte Prof. Bucar. Er empfahl den Apothekern daher, die Angaben auf den Packungen sehr genau durchzulesen und auf die Dosierung zu achten. Denn es komme vor, dass Nahrungsergänzungsmittel nur wenige Milligramm einer Pflanze enthalten, von der mit der täglichen Nahrung mehrere Gramm zugeführt werden.

Für Prof. Bucar stellt sich die Frage, ob solche Nahrungsergänzungsmittel mit derart geringen Dosierungen überhaupt eine Wirkung haben.

Beispiel Schisandrabeere

Sieht man sich die unterschiedlichen Nahrungsergänzungsmittel an, so stellt man oft fest, dass die Produzenten unterschiedliche Dosierungen empfehlen. So gibt beispielsweise zwei Hersteller, die Kapseln mit je 50 mg/Kps. Schisandrafruchtpulver anbieten. Ein Hersteller empfiehlt zwei Kapseln täglich, während der andere bis zu sechs Kapseln pro Tag empfiehlt, also die dreifache Dosis! Ein weiterer Hersteller bietet einen Extrakt aus zwei Früchten, unter anderem Schisandrabeere, an. Hier werden die Beeren schon bei der Extraktion gemischt. Angegeben wird nur, dass die Mischung entsprechend den Regeln der Traditionellen Chinesischen Medizin erfolgt.

Wie viel von welcher Beere nun im endgültigen Extrakt vorhanden ist, wird auf der Packung nicht deklariert. „Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist der Hersteller nicht verpflichtet, genau anzugeben, was drinnen ist“, sagte Prof. Bucar.

Während seriöse Hersteller die Daten ihrer Produkte belegen können und so Nahrungsergänzungsmittel herstellen, die mit pflanzlichen Arzneimitteln vergleichbar sind, greifen andere unseriöse Hersteller zu diversen Tricks, um ihre Produkte zu vermarkten. So wird häufig begleitend im Internet mit „Studien“ geworben, welche die Seriosität des Produktes belegen sollen. Tatsächlich liegt die Dosierung der Nahrungsergänzungsmittel häufig weit hinter der in den Studien eingesetzten Dosierung.

So wurden beispielsweise Studien mit Schisandrabeeren zwischen 1940 und 1960 in der damaligen Sowjetunion durchgeführt, neuere Studien kommen aus China. Meist wurden dabei Extrakte verabreicht, teilweise auch Reinsubstanzen.

Die entsprechen häufig nicht den Produkten, die nun bei uns auf dem Markt sind, erläuterte Prof. Bucar. Dennoch beziehen sich die Produzenten und Verkäufer bei ihren gesundheitsbezogenen Angaben auf diese Studien. Aus rechtlichen Gründen wird die Wirkung in den Werbeaussagen sehr schwammig formuliert.

Beispiel Acai-Beere

Um den Unterschied zwischen der tatsächlichen gesundheitsbezogenen Wirkung und dem Inhalt von Nahrungsergänzungsmitteln zu illustrieren, eigne sich als Beispiel die Acai-Beere. Hier wurde in einer Studie nachgewiesen, dass sich die antioxidative Kapazität des Plasmas nach Konsumation von 7 ml Fruchtmus/kg Körpergewicht erhöht. Eine Testperson mit 60 kg Körpergewicht musste 420 ml Fruchtmus zu sich nehmen, um diese Wirkung zu erreichen.

Schluckt dieselbe Testperson ein Nahrungsergänzungsmittel, das 200 mg Acai-Beerenextrakt pro Kapsel enthält, müsste sie eine große Zahl an Kapseln konsumieren, um auf dieselbe Menge zu kommen.

Quelle:

„Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel unter der Lupe: Anti-Aging, Schlankmacher etc.“; Südtiroler Herbstgespräche, Opatija, Oktober 2010

http://www.pharmaceutical-tribune.at/dynasite.cfm?dsmid=107993&dspaid=920051

Kommentar & Ergänzung: Pflanzliche Nahrungsergänzungsmitte

Der Bericht spricht ein wichtiges Thema an: Bei Heilpflanzen-Präparaten kann es sich um Nahrungsergänzungsmittel handeln oder um pflanzliche Arzneimittel.

Den meisten Konsumentinnen und Konsumenten ist der Unterschied nicht klar: Nahrungsergänzungsmittel müssen keine Wirksamkeit belegen.  Bei den pflanzlichen Arzneimitteln gibt es solche, die ohne Wirksamkeitsbelege zugelassen werden auf der Basis von „Tradition“. Und es gibt Phytopharmaka, welche dieselben Kriterien bezüglich Wirksamkeitsnachweis erfüllen wie synthetische Medikamente.

Nötig wäre jedenfalls mehr Transparenz bezüglich dieser Unterschiede, damit Konsumentinnen und Konsumenten wissen, was sie kaufen.

Schwierig zu durchschauen ist auch, dass Nahrungsergänzungsmittel oft, aber nicht immer, stark unterdosiert sind.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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