Seit der Antike gilt Johanniskraut (Hypericum perforatum) als wirksames Heilmittel. Wie die Forschung inzwischen gezeigt hat, hilft die Heilpflanze bei Depressionen und kann tatsächlich eine verträglichere Alternative zu Antidepressiva sein. Bei keinem anderen Heilpflanzen-Präparat ist die Wirkung vergleichbar gut mit harten wissenschaftlichen Daten untermauert. Das solide Fundament zahlt sich aus: Seit vielen Jahren läuft das Geschäft mit Johanniskraut ausgezeichnet.

Eine ausgesprochen positive Stellungnahme zur Behandlung von Depressionen mit Johanniskraut wurde soeben veröffentlicht von Edzard Ernst, Professor für Alternativmedizin an der Universität Exeter:

“Die Heilpflanze, das weiß inzwischen nahezu jeder, hilft bei Depressionen. Dazu liegen mehr als 50 gute klinische Studien vor. Ihre Ergebnisse sind zwar nicht völlig einheitlich – das ist auch kaum anders zu erwarten – aber die große Mehrzahl dieser Untersuchungen belegt recht eindeutig, dass Johanniskraut wirkt. Zunächst nahm man an, der Effekt beschränke sich auf leichte depressive Verstimmungen. Heute meint man jedoch, dass Johanniskraut auch bei schweren Depressionen hilft. Gemäß einiger Studien wirkt es sogar mindestens so gut wie moderne Antidepressiva wie beispielsweise Fluctin, international auch unter dem Namen Prozac bekannt.”

Auch bezüglich allfälliger Nebenwirkungen stellt Prof. Ernst dem Johanniskraut eine gutes Zeugnis aus:

“Was Johanniskraut den synthetischen Medikamenten überlegen macht: Nebenwirkungen treten sehr viel seltener und milder auf. Groß angelegte Beobachtungsstudien deuten sogar darauf hin, dass die Pflanze kaum mehr davon hat als ein Placebo. Man könnte also sagen, dieses Phyto ist frei von schweren Nebenwirkungen.”

Hier müsste noch ergänzt werden, dass Johanniskraut die Empfindlichkeit der Haut gegen Sonnenstrahlung erhöhen kann (Photosensibilisierung). Daher empfiehlt es sich, während der Einnahme von Johanniskraut-Produkten intensive Sonnenbestrahlung zu meiden. Allerdings sollte dieser Punkt auch nicht dramatisiert werden, weil bei üblichen, durchschnittlichen Sonnenbestrahlungen kaum mit Problemen gerechnet werden muss.

Zurecht fordert Edzard Ernst, dass allfällige Wechselwirkungen (Interaktionen) von Johanniskraut mit anderen Medikamenten im Auge behalten werden sollten:

“Wird Johanniskraut mit anderen Medikamenten kombiniert, kann es zu schwerwiegenden Interaktionen kommen. Es stimuliert den Abbau zahlreicher Medikamente in der Leber und reduziert deren Aufnahme im Darm. Beide Effekte wirken zusammen, sodass der Blutspiegel der entsprechenden Medikamente erheblich abfällt und die erwünschten Wirkungen der Arzneien nicht zum Tragen kommen. Handelt es sich um ein lebenswichtiges Mittel, etwa einen Gerinnungshemmer, dann können diese Interaktionen lebensgefährliche Folgen haben. Der beste Rat, den man hier wohl geben kann, ist, Johanniskraut prinzipiell nicht mit anderen Medikamenten zu kombinieren – es sei denn, der behandelnde Arzt hat dies ausdrücklich für gut befunden.”

Diese Interaktionen betreffen nicht alle Medikamente, aber doch wichtige Vertreter aus verschiedenen Bereichen, beispielsweise Digitalisglykoside, Blutgerinnungshemmer, Immunsuppressiva, gewisse HIV-Medikamente und Chemotherapeutika, Östrogene.
Daher ist es wichtig, behandelnde Ärztinnen und Ärzte über eine geplante Einnahme von Johanniskraut-Präparaten zu informieren.

Prof. Ernst geht dann noch auf die Frage ein, weshalb aus dem Johanniskraut nicht schon längst ein wirksamer Inhaltsstoff isoliert wurde:

“Wenn Johanniskraut so prima ist, warum isoliert man dann nicht einfach seinen pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoff und bringt ihn als synthetisches Medikament auf den Markt? So verfahren Pharmakologen häufig, und diese Vorgehensweise leuchtet völlig ein, schließlich macht sie die Therapie transparent. Im Falle des Johanniskrauts hat die Methode jedoch einen entscheidenden Fehler: In der Pflanze stecken derart viele Inhaltsstoffe, die möglicherweise alle an der Wirksamkeit beteiligt sind, dass die simple Logik der Pharmakologie hier nicht greift. Wir müssen also weiterhin mit der Komplexität der Heilpflanze zurechtkommen.”

Es gibt zwar intensiv erforschte Johanniskraut-Inhaltsstoffe, insbesondere Hyperforin und Hypericin. Die Untersuchungen zeigen aber auch, dass der Johanniskraut-Gesamtextrakt besser wirksam ist als die isolierten Einzelstoffe.

Sehr wichtig ist der Hinweis von Prof. Edzard Ernst auf die grossen Qualitätsunterschiede bei Johanniskraut-Präparaten:

“Wer den Kauf einer Johanniskraut-Arznei erwägt, sollte bedenken: In der Qualität unterscheiden sich die zahlreichen Mittel enorm. Viele frei verkäufliche Präparate sind zu niedrig dosiert, um zu wirken. Als Faustregel gilt: Was wenig kostet, ist meist wenig wert. Aufgrund der Verschiedenheit der Mittel lässt sich keine allgemeine Empfehlung geben; auf jeden Fall sollte die Tagesdosis bei 300 bis 900 Milligramm des Extraktes liegen.”

Erschweren kommt an diesem Punkt hinzu, dass die Extrakte der verschiedenen Hersteller sich qualitativ nur beschränkt vergleichen lassen. Die Extrakte können sehr unterschiedlich konzentriert sein, so dass gleich viele Miligramm von zwei verschiedenen Extrakten nicht zwingend die gleiche Wirkung auslösen.
Wenn Edzard Ernst eine Tagesdosis zwischen 300 und 900mg empfielt, dann muss dazu gesagt werden, dass die in ihrer Wirksamkeit gut dokumentierten Johanniskraut-Präparate eher bei 900 mg Tagesdosis liegen als bei 300 mg.

Quelle: www.stern.de, 27. Nov.2009

Weitere Informationen zu Johanniskraut im Bereich Infodienst Forschende Phytotherapie: moodle.heilpflanzen-info.ch/course/view.php

Genauer:
Kurzmeldungen zum Stand der klinischenJohannskraut-Forschung:
moodle.heilpflanzen-info.ch/mod/resource/view.php

Johanniskraut-Forschung zu Inhaltsstoffen & Wirkungsweise:
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