Ich bin immer wieder erschüttert darüber, wie blind und fraglos auch die abstrusesten Behauptungen ohne jede Begründung akzeptiert werden – gerade auch im Bereich der Naturheilkunde. Was ich über Wirkungen von Heilpflanzen höre, hat mit Fakten oft kaum etwas zu tun und entspringt wohl häufig eher purem Wunschdenken.

Hier wäre es meines Erachtens sinnvoll und auch nötig, dass die Naturheilkunde von der Wissenschaft lernt, wie man kritische Fragen stellen kann. Dem steht entgegen, dass viele Leute in der Naturheilkunde und auch in der Pflanzenheilkunde in einer Abwehrhaltung gegenüber der Wissenschaft erstarrt und daher kaum offen sind, um etwas von ihr aufzunehmen. Die Wissenschaft selber macht es Aussenstehenden aber oft auch nicht leicht, ihre Kernanliegen zu verstehen.
Wenn Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler an die Öffentlichkeit treten, kommen sie im allgemeinen mit fertigen Ergebnissen, die dann von den Medien oft noch stark verkürzt und als wissenschaftliche Wahrheit präsentiert werden. Kein Wunder, bekommt die Wissenschaft in breiten Kreisen einen arroganten Ruf.

Diskussionskultur

Statt hauptsächlich nur fertige Ergebnisse vorzustellen, müsste viel stärker vermittelt werden, wie Wissenschaft funktioniert und was ihre Anliegen sind. Es müsste viel stärker vermittelt werden, dass Wissenschaft eigentlich eine Diskussionskultur pflegt (oder jedenfalls pflegen sollte) – im Gegensatz zu den dogmatischen Behauptungen der diversen Heilslehren, wie wir sie auch aus der Naturheilkunde kennen. Es müsste dargestellt werden, dass Wissenschaft mit vielen offenen Fragen lebt, sich weiterentwickelt und nicht den Anspruch vertritt, endgültige Wahrheiten zu verkaufen. Solche Kernanliegen der Wissenschaft werden durch verzerrte Darstellung in den Medien, übermässige Kommerzialisierung der Forschung und andere Auswüchse vernebelt. Wissenschaft ist – wenn ich ihre Kernanliegen richtig verstanden habe – durchaus eine bescheidene Angelegenheit.

Ganz im Sinne einer Aussage des Wissenschaftsphilosophen Karl Popper:

“Es dürfte uns gut tun, uns manchmal daran zu erinnern, dass wir zwar in dem Wenigen, das wir wissen, sehr verschieden sein mögen, dass wir aber in unserer grenzenlosen Unwissenheit alle gleich sind.” (Karl Popper Lesebuch, UTB 2000, S. 38)
Warum nur kommt Wissenschaft so oft ganz anders rüber?
Meines Erachtens muss sich die Wissenschaft hier auch ein Stück weit selber an der Nase nehmen – sofern sie eine hat.

Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, dann habe ich dort vom Sinn und Zweck der Wissenschaft und von ihren Grundprinzipien kaum etwas gehört. Es wurden hauptsächlich scheinbar fertige Ergebnisse der Wissenschaft präsentiert, die man als Schüler wie die Einlagen in einen Banksafe möglichst sicher aufbewahren und bei einer Prüfung unverändert zurückgeben sollte. Mag sein, dass sich hier inzwischen etwas zum Positiven geändert hat. Aber sicher bin ich mir da nicht.

Schulung des kritischen Denkens

Kürzlich bin ich im Internet auf einen Film gestossen, dem es um die Schulung des kritischen Denkens geht. Zentral dabei ist das Bewusstsein über die vielfältigen Möglichkeiten sich zu täuschen. Hier zeigt der Film die wichtigsten Täuschungsmöglichkeiten und die Fragen, die man stellen sollte, um nicht in jede dieser Fallen zu treten. Mir persönlich kommt der Film an manchen Punkten etwas zu fortschrittseuphorisch daher und er pauschalisiert an anderen Punkten gegenüber den alternativen Heilmethoden zu stark. Gerade im Bereich der Phytotherapie gibt es zahlreiche Heilpflanzen, deren Wirkungen auch aus einer wissenschaftlichen Optik gut belegt sind.

Abgesehen von solchen Schwachpunkten wirft der Film aber wichtige Fragen auf. Und weil ich nachdrücklich der Ansicht bin, dass es innerhalb der Naturheilkunde mehr kritisches Denken und weniger naive Leichtgläubigkeit braucht, empfehle ich diesen Film ausdrücklich auch Menschen, die der Naturheilkunde nahe stehen. Schliesslich ist es ein Ausdruck von Stärke, wenn man sich mit Kritik ernsthaft auseinandersetzt.
Hier können Sie den Film anschauen:
www.overstream.net/view.php

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch