Das Kölner Verwaltungsgericht hat vor kurzem entschieden, dass chronische Kranke (z. B. Schmerzpatienten) in Ausnahmefällen künftig für den therapeutischen Eigenbedarf Cannabis bei sich zu Hause anbauen dürfen. Die erfolgreichen Kläger in diesem Verfahren nehmen Cannabis gegen Schmerzen –was eines der Hauptanwendungsgebiete dieser Pflanze in der Medizin ist.

Cannabis hat aber eine ganze Reihe von nützlichen Wirkungen, durch welche die Pflanze aus medizinischer Sicht interessant wird.

Cannabis soll Schmerzen lindern, den Appetit fördern, Übelkeit oder Brechreiz entgegenwirken, Krämpfe und Muskelverspannungen (Spastik) bei Multipler Sklerose lösen und die Stimmung verbessern.

Die Datenlage für die meisten Anwendungen sei dünn, schreibt Spiegel online in einem Überblick. Wissenschaftler beklagen zum Teil, dass der Goldstandard der medizinischen Studie, der doppelblinde placebokontrollierte Versuch, häufig bereits daran scheitert, dass man die Patienten schlecht „verblinden“ kann. Sie merken eben, ob sie nur ein Placebo bekommen oder eine auf das Bewusstsein wirkende Droge. Cannabis als Heilpflanzen ist zudem nicht sehr interessant für die Forschung, weil man sie nicht patentieren kann, Darum fliest nicht viel Geld in diese Forschung und die Studien sind eher klein und damit nur beschränkt aussagekräftig. Die meisten Studien werden zudem mit isolierten Inhaltsstoffen wie THC und / oder Cannabidiol durchgeführt und nur wenige mit dem “ganzen” Cannabis. Cannabis enthält aber eine vielfältige Palette an Inhaltsstoffen und es gibt Patienten, denen das ganze Kraut besser hilft als isoliertes THC.

Dass Cannabis den Appetit steigert, ist schon lange bekannt. Dieser Effekt kann – verbunden mit der Reduktion des Brechreizes – hauptsächlich für Krebspatienten segensreich sein, die unter einer belastenden Chemotherapie abmagern.

Auch Aids-Patienten können von der appetitanregenden und Übelkeit hemmenden Wirkung profitieren, da ihre Krankheit oft mit Gewichtsverlust einhergeht. Darüber hinaus könnte ihren die stimmungsaufhellende Wirkung von Cannabis helfen. In einer Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration von 2013 stellen Wissenschaftler allerdings fest, dass Langzeituntersuchungen fehlen.

Quelle:

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD005175.pub3/abstract

Da Cannabis Spastiken vermindert, wird es zudem bei Multipler Sklerose angewendet und kann die Bewegungsfähigkeit der Betroffenen wieder verbessern. Das Fortschreiten der Krankheit kann die Pflanze jedoch nicht verlangsamen. Die Behandlung ist ausschliesslich symptomatisch. Allerdings kann Cannabis auch die mit der Krankheit auftretenden Schmerzen reduzieren.

Es gibt eine Reihe weiterer Krankheiten, bei denen Cannabis angewendet werden kann, darunter das Tourette-Syndrom. Viele Betroffene berichten über eine Abnahme der störenden Tics, schreibt Spiegel online. Auch beim Glaukom (Grüner Star) könne Cannabis oder einzelne Inhaltsstoffe helfen, indem sie den Augeninnendruck reduzieren, der bei dieser Krankheit nach und nach den Sehnerv zerstört. Dieser Effekt trete aber nicht bei allen Betroffenen auf. Und weil Cannabis die Bronchien weite, könne es auch für Menschen mit Asthma nützlich sein – allerdings nicht als Joint, der geraucht wird.

Quelle:

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/cannabis-bei-krebs-ms-oder-aids-kann-die-droge-helfen-a-982282.html

http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/medizinisches-marihuana-notloesung-aus-dem-blumentopf-1.2059898

Kommentar & Ergänzung:

Zum Entscheid des Kölner Verwaltungsgericht und zur Situation betreffend der legalen Anwendung von Cannabis als Arznei in der Schweiz siehe hier:

Gericht erlaubt Schmerzpatienten Eigenanbau von Cannabis

Zum Thema Cannabis bei Glaukom habe ich vor einiger Zeit mit einem Augenarzt gesprochen, der sich intensiv mit Phytotherapie in der Augenheilkunde befasst hat (und heute allerdings nicht mehr praktiziert). Aussage: Für eine relevante Wirkung brauche es hohe Dosierungen und zwar geraucht, weil der Wirkstoff so rascher in den Körper gelangt und dieser starke Initialimpuls offenbar nötig ist, um den Augeninnendruck zu senken. Peroral – also über den Verdauungstrakt appliziert – steigt der Spiegel langsamer, was offenbar nicht ausreichend sein soll.

Wenn das stimmt, scheint mir die Anwendung von Cannabis bei Glaukom nicht sehr sinnvoll, da es zu diesem Zweck ja eine Langzeitanwendung braucht. Und eine Langzeitanwendung von Cannabis in höheren Dosen und dann noch als Joint? – Da dürften die üblichen augenmedizinischen Augeninnendrucksenker sinnvoller sein.

Gegen die Spastik, zum Beispiel bei Multipler Sklerose, oder zur Linderung von Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen bei Krebserkrankungen bzw. Krebstherapien, halte ich die Anwendung für plausibel bei Patientinnen und Patienten, die gut darauf ansprechen.

Siehe auch:

Cannabis-Eigenanbau: Pharmazeutische Bedenken

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe

Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse

Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch