„Kamille: Das Hausmittel wird zum Schlankmacher“, so titelte „Die Presse“ einen Artikel.

Das tönt sehr ungewöhnlich, ist doch in diese Richtung bisher keine Wirkung der Kamille bekannt.

Was schreibt die Zeitung denn zur näheren Begündung dieser Aussage?

«„Ich kann dazu noch nicht so viel sagen, weil die Ergebnisse erst in einem halben Jahr publiziert werden. Aber die Kamille hat noch eine weitere Wirkung, die für die Nährstoffaufnahme im Darm interessant ist. Sie dürfte bei der Resorption von Zucker im Darm eine ähnliche Wirkung haben wie der Apfel“, sagt dazu Chlodwig Franz vom Institut für Botanik und Pharmakognosie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der auch in die Kamillenzüchtung involviert ist. Auf die Frage ob sie, vereinfacht gesagt, eine Art Schlankmacher ist, meint er: „Plump gesagt, ja.“ Die Kamille könnte somit schon bald als eine Art Nahrungsergänzungsmittel eine neue Hochblüte erleben.»

Quelle:

Die Presse, Print-Ausgabe, 07.10.2012

http://diepresse.com/home/gesundheit/1298279/Kamille_Das-Hausmittel-wird-zum-Schlankmacher?_vl_backlink=/home/gesundheit/index.do

Kommentar & Ergänzung:

Der Text enthält kaum Informationen. So bleibt zum Beispiel im Dunkeln, wie genau diese Wirkung auf die Zuckerresorption untersucht und festgestellt wurde.

Der Hinweis des Forschers, er könne noch nicht so viel sagen, weil die Ergebnisse erst in einem halben Jahr publiziert werden, ist nicht viel wert.  Warum haben die Beteiligten dann nicht einfach ein halbes Jahr gewartet? – Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahr vergangen, und von einer Publikation habe ich nichts gehört.  Steckt wohl irgendwo in einer Fachzeitschrift und vielleicht ist der eigentliche Artikel auch nicht halb so spektakulär wie die Schlagzeile „Kamille: Das Hausmittel wird zum Schlankmacher“.

Kamille soll ähnlich auf die Zuckerresorption wirken wie ein Apfel. Aha, wie das?

Kamillenblüten enthalten zwischen 3 und 10 % pektinartige Schleimstoffe. Möglicherweise hängt die Wirkung damit zusammen, denn bei den Äpfeln geht man auch davon aus, dass es ihr Pektingehalt ist, welcher die Zuckerresorption verlangsamt.

Nur stellt sich dann die Frage: Wenn ein Apfel gleich wirkt, warum esse ich dann nicht einen Apfel? – Kamillenblüten in entsprechender Menge dürften geschmacklich eher gewöhnungsbedürftig sein.

Was der Artikel in der „Presse“ auch nicht erwähnt ist der Umstand, dass der zitierte Forscher ein Patent hat mit dem Titel: „Verfahren zur Herstellung von neuen Produkten aus der Kamille mit verbesserten Eigenschaften“

(Quelle: http://www.patent-de.com/20030626/DE3446222C2.html)

Der Artikel ist also möglicherweise Teil einer PR-Kampagne. Vielleicht kommen ja demnächst Kapseln mit Kamillenblüten in den Handel, die uns als Nahrungsergänzungsmittel zum Schlankwerden angepriesen werden.

Eine ähnliche verzögernde Wirkung auf die Zuckeraufnahme haben übrigens auch Flohsamen, Bockhornkleesamen, Guar, Johannisbrotkernmehl. Es wird dadurch aber nicht weniger Zucker aufgenommen, sondern die Aufnahme verzögert sich zeitlich.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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