…schreibt die österreichische Zeitung „Der Standard“ in einem Beitrag über die Wirkung der Frühlingskräuter:

„Ein Bund Petersilie enthält mehr Vitamin C als ein halbes Kilo Orangen. Petersilie unterstützt auch die Entgiftungsarbeit der Leber, regt die Verdauung an und wirkt gegen Blähungen. Was kaum bekannt ist: Petersilientee ist stark harntreibend.“

Quelle:

http://derstandard.at/1363711122225/Die-Wirkung-der-Fruehlingskraeuter

Kommentar & Ergänzung:

Nirgendwo in der Phytotherapie-Fachliteratur finde ich einen Hinweis darauf, dass Petersilie die „Entgiftungsarbeit der Leber“ unterstützt.

Wenn ein Autor oder eine Autorin eine derart ausgefallene Behauptung aufstellt, dann müsste er oder sie begründen, wie er oder sie darauf kommt.

Nur so lässt sich die Glaubwürdigkeit einer solchen Aussage einschätzen.

Es gibt tatsächlich Heilpflanzen, welche die Entgiftungsarbeit der Leber aktivieren.

Das bekannteste Beispiel ist Johanniskraut (Hypericum perforatum). Es aktiviert in der Leber ein Enzym, das gewisse Fremdstoffe abbaut.  Dazu gehören auch gewisse Medikamente, zum Beispiel Digoxin, Marcoumar, Östrogene (Antibaby-Pille), Immunsuppressiva, gewisse Chemotherapeutika und HIV-Medis. Sie werden bei gleichzeitiger Johanniskrauteinnahme schneller abgebaut.

Es treten hier also konkrete Interaktionen (Wechselwirkungen) auf, die beachtet werden müssen.

Sollte Petersilie also die Entgiftungsarbeit der Leber ebenso anregen – wovon ich nicht ausgehe – dann müsste man konkret angeben können, welches Enzymsysteme aktiviert und welche Fremdstoffe dadurch rascher abgebaut werden. Dann müssten auch allfällige Interaktionen thematisiert werden, beispielsweise durch den Hinweis, bei welchen Medikamenten eine gleichzeitige Einnahme von Petersilie zu unterlassen ist.

Davon steht aber nichts im Artikel des „Standard“. Entweder werden hier Interaktionen fahrlässig unterschlagen oder das Ganze ist nicht so ernst zu nehmen……

Was stimmt im Zitat aus dem „Standard“ ist, dass Petersilientee harntreibend wirkt. Genauer: Es wird vermehrt Wasser ausgeschieden.

Ob das so generell sinnvoll und gesund ist, wäre allerdings eine noch zu klärende Frage. Zumal der harntreibende Effekt der Petersilie über eine Reizwirkung des ätherischen Öls auf die Nieren zustande kommt.

Petersilienöl enthält als Hauptbestandteile Apiol, Myristicin und Allyltetramethoxybenzol.

Reines Apiol kann in höheren Dosen abortiv wirken (= Fehlgeburt auslösend). Myristicin wird für erregende und rauschähnliche Zustände nach Einnahme von Petersilienöl in grösseren Mengen verantwortlich gemacht.
Petersilienöl in hohen Dosen kann das Nierenepithel schädigen.
Bei normaler Anwendung von Petersilie als Gewürz oder moderater Anwendung von Petersilientee aus Petersilienkraut sind Vergiftungen allerdings nicht zu befürchten. Langzeitanwendungen von Petersilientee sollten allerdings vermieden werden, die Anwendung von isoliertem Petersilienöl sowieso.

Panikmache bezüglich Einnahme von Petersilie ist also nicht angebracht, aber ebenso wenig die naive Empfehlung als Entgiftungsmittel.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:

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