Italienische Mediziner haben gemäss Medienberichten Kindern Wachstumshormone verschrieben, obwohl es dafür keine medizinische Rechtfertigung gab. Grund dafür waren offenbar Geschenke und Geld von Sandoz-Vertretern.

Sandoz gehört zum Pharmakonzerns Novartis und bündelt die Generikaaktivitäten der Novartis-Gruppe.

Von Palermo bis Mailand durchsuchten Carabinieri unter Führung der  Gesundheitspolizei NAS Bologna die Büros von Spitälern.

Gemäss einer Medienmitteilung der NAS sollten die Razzien klären, ob die Wachstumshormone von Sandoz den Patienten zu Recht verschrieben wurden. Unterlagen, welche die Zahlungen an die Ärzte dokumentieren, lägen der NAS schon vor.

Unter Korruptionsverdacht stehen 67 Ärzte, die in pädiatrischen und endokrinologischen Abteilungen privater und öffentlicher Spitäler arbeiten.

Pharmavertreter von Sandoz sollen den Ärzten teure Reisen, Designerklamotten oder Bargeld bezahlt haben, damit sie Kindern mehr Wachstumshormone verschrieben.

Mediziner, die entweder höhere Dosen verordneten oder die Hormonpräparate an neue Patienten verschrieben, seien mit Summen zwischen 500 und 1000 Euro pro Patient entschädigt worden, berichten italienische Zeitungen.

Nach Angaben der «Repubblica» sollen die Sandoz-Vertreter die verantwortlichen Ärzte mit Aufmerksamkeiten im Wert von insgesamt 500’000 Euro versorgt haben. Diese Summe hätten die Mitarbeiter kaum aus der eigenen Tasche bezahlt, schreibt die Zeitung – und wirft damit die Frage auf, ob Sandoz in die Zahlungen involviert war.

Erste Hinweise auf die unnötige Verschreibung von Wachstumshormonen zeigten sich gemäss «Repubblica» schon vor einem Jahr. In Rimini wurde damals ein Sportarzt verhaftet, der Kindern und Jugendlichen Hormone verschrieb, um ihre sportlichen Leistungen zu steigern.

Bestürzt über die Vorwürfe zeigte sich im «Corriere della Sera» Alberto Ugazio, Präsident der italienischen Gesellschaft für Kinderheilkunde. Eigentlich müsse nur Kleinwuchs mit Wachstumshormonen therapiert werden. Dabei handele es sich um eine sehr seltene Krankheit. Die Behandlung mit Wachstumshormonen habe stark zugenommen, kritiserte der Kinderarzt. Amateursportler verwendeten sie, um ihre Leistung zu verbessern. Die Sportler werden dabei offensichtlich von Ärzten unterstützt. In Italien dürfen gemäss Ugazio Hormone nur auf Rezept verkauft werden.

Sandoz bestätigte, dass die Firma gegen Mitarbeiter, die in das Gerichtsverfahren involviert sind, Disziplinarmassnahmen ergriffen habe.

Quelle:

http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/SandozVertreter-sollen-italienische-Kinderaerzte-bestochen-haben/story/12647632

Kommentar & Ergänzung:

Noch ist in dieser Angelegenheit niemand schuldig gesprochen. Sollte sich der Korruptionsverdacht aber bestätigen, wäre dies eine schwerwiegende Angelegenheit.

Wikipedia schreibt zum Wachtumshormon Somatropin:

„Synthetisches Somatropin wird als „Anti-Aging“-Mittel verwendet, wobei es keine Belege für einen Langzeitnutzen gibt. Häufig missbräuchlich angewendet wird es aufgrund seiner muskelbildenden Eigenschaften auch im Bodybuilding und anderen Sportarten. Zu diesem Zweck wird es teilweise auch mit Testosteron, Insulin, Trenbolon und dem Schilddrüsenhormon Triiodthyronin (T3) kombiniert. Mittlerweile sind aber auch schon gefährliche Totalfälschungen von angeblich Somatropin-haltigen Arzneimitteln aufgetaucht, die für die Verwendung in der Bodybuilder-Szene bestimmt waren. In der Doping-Szene gilt Somatropin allgemeinhin als teure „Wunderwaffe“. Die Anwendung von Somatropin bei Menschen ohne vorliegenden Mangel führt zu Akromegalie mit schwersten Nebenwirkungen, die oft irreversibel sind.“

Bestätigt sich der Korruptionsverdacht und ist dieses Schmieren von Ärzten nicht nur ein einzelner krimineller Ausrutscher, sondern eine verbreitetere Praxis – und danach sieht es aus –  wäre ein Rücktritt der verantwortlichen Novartis-Führung meines Erachtens angemessen. Die Situation ist dann nämlich ähnlich wie bei UBS-CEO Oswald Grübel nach dem Betrugsfall des Händlers Kweku Adoboli im Investmentbanking in London.

Oswald Grübel hat vorgemacht, dass man als oberster Chef  auch Mitverantwortung trägt für ungenügende Kontrollmechanismen und manchmal Konsequenzen ziehen muss, selbst wenn man nicht direkt in den Betrugsfall verwickelt ist.

Die schon seit langem kritisierte, unnachvollziehbar überrissene  „Entschädigung“ von Novartis-Chef Daniel Vasella müsste dann nämlich immer im Zusammenhang mit Gewinnen gesehen werden, die der Konzern auf Kosten der Gesundheit von Kindern eingestrichen hat.

Ich zweifele aber daran, dass die Novartis-Verantwortlichen ihre Mitverantwortung hier erkennen. Schliesslich wissen sie schon seit 2011 von den Ermittlungen.

Und es gibt einen bedeutsamen Unterschied zwischen dem Betrugsfall Adoboli bei der UBS und dem Schmiergeld, das in Italien von der Sandoz gezahlt worden sein soll:

Adoboli hat sehr viel Geld in den Sand gesetzt. Das muss natürlich Konsequenzen haben.

Die Machenschaften von Sandoz Italien dagegen, sollten sie so stattgefunden haben, brachten der Firma Umsatz und schadeten nur den unnötigerweise behandelten Kindern.

Das ist offenbar nicht so relevant.

Die Finanzbranche hat ihren Ruf über weite Strecken ruiniert. Die Pharmabranche scheint sich in eine ähnliche Richtung zu bewegen. Das pauschale Feindbild der bösen Pharmaindustrie ist mir fremd. Es gibt aber eine ganze Reihe von kritikwürdigen Verhaltensweisen, die meines Erachtens immer wieder auf den Tisch gelegt werden müssen. Dieser Korruptionsverdacht in Italien muss geklärt werden.

Beispiele:

Indien: Menschliche Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie

Tamiflu nicht wirksamer als Placebo

Boykottaufruf gegen Roche wegen Tamiflu-Datenverheimlichung

Industriefinanzierte Medizinstudien liefern verzerrte Reaultate

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