„Kränkeln, ewig etwas unpässlich sein, empfindsam leiden, immer kränklich erscheinen, das konnte man schon lange; Gesündeln ist eine neue menschliche Eigenart. Wer kränkelt, der tanzt um die Krankheiten herum; wer gesündelt, der dreht sich um die Gesundheit – oder vielmehr um deren Fetisch – und lebt für sie. Gesündeln ist ein heute weit verbreitetes Syndrom. Es nimmt, individuell gesehen, unsere unbewusste Vorstellung, wir seien unsterblich und unverletzlich, beim Wort und treibt sie auf die Spitze, verbindet sie mit der Hoffnung, wir selbst könnten unsere Gesundheit herstellen und würden damit zu Herren unserer phantasierten Unsterblichkeit – und zwar im Diesseits unseres irdischen Lebens. Diese verzweifelte Forderung muss notwendig scheitern, weil die Realität von Krankheit und Tod ihr radikal widerspricht.“

(Zitat: Herbert Will, Fetisch Gesundheit, in: Kursbuch 88, Gesundheit, Mai 1987)

Kommentar & Ergänzung:

Es spricht natürlich nichts dagegen, dass wir etwas für unsere Gesundheit tun. Es gibt allerdings eine eigenartige Fixierung auf diese Gesundheitsthemen, die mit „Gesündeln“ nicht schlecht umschrieben ist. Und oft ist damit wohl tatsächlich eine diffuse Vorstellung verbunden, dass wir mit einer ausreichend gesunden Lebensweise gegen ernsthafte Krankheiten wie Krebs geschützt sind.  Es gibt aber durch Gesundheitsverhalten allenfalls eine punktuelle Verminderung von Risiken – jedoch keinen vollständigen Schutz.

Wer gesündelt ergreift allerdings auch völlig unsinnige Massnahmen und ist damit ein perfekter Konsument, eine perfekte Konsumentin für die Gesundheitsindustrie.

Das betrifft im übrigen auch Angebote aus Komplementärmedizin & Alternativmedizin.

Wer gesündelt schluckt oft auch grosse Mengen an Pflanzentinkturen, Globuli, Schüssler-Salze, Homöopathika etc.,  obwohl die Notwendigkeit dieses Konsums ganz und gar nicht klar ist.

Das ist unsinnig, weil dadurch die Überzeugung entsteht, dass solche Produkte zu jeder Lebensphase gehören. Damit wird eine Medikalisierung des Lebens gefördert, was genauso wie durch synthetische Medikamente auch durch Präparate aus dem Bereich Komplementärmedizin / Alternativmedizin passieren kann.

Statt immer mehr Pillen, Pflanzentinkturen, Globuli oder Schüssler-Salze zu schlucken, wäre es meines Erachtens wichtig, wenn wir uns grundsätzlicher mit unseren Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit auseinandersetzten.

Eine Gelegenheit dazu bieten die Patienten-Seminare und die Eidberger Gedankengänge.

Infos dazu hier.

P.S.: Nichts gegen Arzneimitteln, wo sie wirklich nötig und sinnvoll sind, aber das dürfte nur ein kleiner Anteil aller konsumierten Präparate sein.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch